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Mit Strategie und Design zum Erfolg

Modern Advertising Magazine im Dialog mit Sally Anderson, Group Creative Director, und Daniel Leyser, Global CEO von MetaDesign.

Nicht nur in wirtschaftlich unsicheren Zeiten setzen Marketeers oft auf Perfomance-getriebene Instrumente zur Umsatzsteigerung. Das allein ist aber nicht genug, um Konsument:innen immer wieder zum Kauf zu bewegen. Dafür ist auch eine systematische und erfolgreiche Markenbildung entscheidend. Branding ist eine wertbeständige Investition, denn es bedingt die Kaufentscheidung zu großen Teilen. Bei MetaDesign ist man der festen Überzeugung, dass das perfekte Zusammenspiel von Strategie und Design Marken erfolgreich macht.

Die Markenagentur wurde 1979 in Berlin gegründet und verfügt mittlerweile über acht Büros auf der gesamten Welt. Seit 2008 sind die Markenexpert:innen auch im chinesischen Markt aktiv, mit Standorten in Peking und Shanghai. Seit 2013 ist MetaDesign zudem Teil des globalen Kommunikationsnetzwerkes Publicis Groupe.

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Die Agentur hat somit zum einen eine sehr internationale Perspektive auf Marken, gleichzeitig aber auch ein tiefes Verständnis für die lokalen Gegebenheiten. Der aus Rom stammende Mauro Marescialli, MetaDesign’s Managing Director in China, lebt und arbeitet seit 25 Jahren in Peking, spricht fließend den Peking-Dialekt und ist deshalb mit der chinesischen Kultur zutiefst vertraut. Auch Sally Anderson, Group Creative Director, lebt und arbeitet seit mehr als 10 Jahren in China und kennt die chinesische Kultur entsprechend detailliert ebenso wie die Schnellebigkeit auf dem sich rasch entwickelnden chinesischen Markt.

Am 26. Mai 2023 feierte MetaDesign nun den Gewinn der renommierten Auszeichnung "Red Dot Agency of the Year“ mit einer eigens initiierten Sonderausstellung "RED, DOT & SPICY" in der DEST GALLERY im Shan Kang Li in Shanghai. Im Rahmen der Ausstellung wurden mehr als 15 preisgekrönte Markenprojekte aus einer Vielzahl von Branchen, darunter u.a. Arbeiten für führende Automobilhersteller, Tech-Companies, und Food & Beverage-Anbieter vorgestellt und Einblicke hinter die Kulissen der Strategie- und Kreativprozesse für die Umsetzungen für die sowohl chinaweit- als auch weltbekannten Marken gewährt.

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Im Zuge der Ausstellung "RED, DOT & SPICY" sprach das Modern Advertising Magazine, ein führendes Marketingmedium in China, mit Daniel Leyser und Sally Anderson über das Thema Markenbildung.

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Modern Advertising: Wie kann kreatives Design Ihrer Meinung nach zur Stärkung einer Marke beitragen?

Daniel Leyser: Zunächst einmal ist das Design immer einer der zentralen Aspekte, wenn es um die Weiterentwicklung und damit den Erfolg einer Marke geht. Oft ist der Schritt, den eine Marke gehen muss, um für die Zukunft gut aufgestellt zu sein, eher die Anpassung oder Weiterentwicklung eines oder mehrerer das Design betreffender Details und nicht unbedingt immer eine große gestalterische Geste. Letzteres ist sicherlich aufmerksamkeitsstärker, aber beides erfordert gleichermaßen Kreativität, aber vor allem Fingerspitzengefühl, markenstrategisches Know-how und ich würde auch sagen Erfahrung. Denn wie auch immer die Designlösung für eine Marke am Ende aussieht, sie muss als System funktionieren, das Unternehmen und seine Werte repräsentieren und die Marke auf allen Ebenen tragen.

Modern Advertising: MetaDesign ist als kreativ orientierte Markenstrategieberatung bekannt. Welche Dienstleistungen können Sie speziell für Marken anbieten?

Daniel Leyser: In einem Satz: MetaDesign ist die erste Anlaufstelle für wirklich alle Markenthemen. In den über 40 Jahren unseres Bestehens durften wir für nahezu jede bekannte Marke arbeiten. Unser Leistungsportfolio umfasst langjährig entwickelte strategische Beratungsleistungen zu Themen wie Markenpositionierung, Markenarchitektur, Brand Messaging etc. Auch im Bereich Brand Experience sind wir ganzheitlich aufgestellt: ob die Entwicklung eines klassischen Markendesigns, die Gestaltung von Markenräumen oder digitalen Produkten. Dabei entwickeln wir Marken mit und in Innovationstechnologien wie KI oder dem MetaVerse. Alles, was als Markenausdruck denkbar ist, kann von uns gestaltet werden. Ich könnte unzählige Arbeiten von MetaDesign nennen, auf die ich stolz bin. Wenn ich zwei Projekte aus jüngster Zeit nennen müsste, wären das sicherlich die globale Markenidentität von Volkswagen oder das Rebranding der Craft-Bier-Marke Jing-A, das hier in unserem Büro in Peking entstanden ist.

Modern Advertising: Können Sie uns einige Insights zu den ausgestellten Projekten nennen?

Sally Anderson: Als wir mit Jing-A zusammenarbeiteten war unser gemeinsames Ziel, ein marktübergreifendes, einheitliches visuelles System für die Marke zu entwickeln. Herausforderung war es, in einem sich schnell verändernden Markt, einem gleichzeitig stark wachsenden Unternehmen einen konsistenten Markenauftritt zu verleihen, der einen echten Wiedererkennungswert hat. Es ist bei allem Veränderungsdruck wichtig eine solche Entwicklung nicht dem Zufall zu überlassen, denn das kann sonst riskant für das Business werden.

Bei Audi wiederum ging es um eine Markenlokalisierungsstrategie und deren Umsetzung für den chinesischen Markt. Dabei handelte es sich nicht um eine einfache Exploration der globalen Strategie, sondern um eine behutsame Anpassung dessen, die mit viel Sorgfalt vorgenommen wurde. Das spiegelt sich in der Gestaltung wider, bei der wir unter anderem die chinesische Typographie der englischen visuell gleichgestellt haben oder auch am Bildstil, den wir, basierend auf dem globalen Look & Feel um subtil integrierte chinesische Elemente erweiterten.

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Modern Advertising: Gegenwärtig richten viele Marken ihr Augenmerk rein auf Umsatzzahlen, vernachlässigen dabei aber den Markenaufbau. Was halten Sie davon?

Daniel Leyser: Wenn ein Unternehmen keine echte Konkurrenz hat, was so gut wie nie der Fall ist, aber falls, ist es nicht falsch, sich ganz auf die Verkaufsleistung zu konzentrieren. Sobald eine Marke jedoch einen Mitbewerber hat und es Produkthomogenität und wenig Preisdifferenzierung gibt, ist die Marke einfach entscheidend. Wenn die Verbraucher:innen mit einem ähnlichen Angebot konfrontiert werden, geht es primär um Markenbildung und darum, welche Marke in ihren Köpfen einen Eindruck hinterlässt und mit ihren Werten in Einklang steht.

Sally Anderson: Es ist eine ganz entscheidende Frage, ob Unternehmen, wenn sich ihre Umsatzzahlen nicht wie gewünscht entwickeln, Budgets für Markenentwicklung umgehend einfrieren oder eben genau gegenteilig handeln. Ersteres ist meistens die Realität. Meiner Überzeugung nach müssen Unternehmen, die innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahren erfolgreich sein wollen, unabhängig der Rahmenbedingungen, in ihre Marke investieren. Es ist wichtig zu verstehen, dass systematischer Markenaufbau essentiell für Geschäftserfolg ist und dass sich das Invest von Zeit, Geld und Mühe in das Thema absolut lohnen. Wer das ignoriert, läuft Gefahr, einen hohen Preis zu zahlen. Dies betrifft nicht nur kurzfristige Gewinnrückgänge, sondern kann sogar existenzbedrohend werden. Negativbeispiele dafür aus der Vergangenheit gibt es ja zahlreiche.

Modern Advertising: Uns ist aufgefallen, dass viele Marken in China und im Ausland einen zunehmenden Trend zu einfacheren, flacheren Logos zeigen, was hält MetaDesign davon?

Daniel Leyser: Die Gründe für diesen Trend sind nachvollziehbar, da sie aus meiner Sicht vor allem pragmatischer Natur sind. Einfache Logos lassen sich leichter an verschiedene Medien anpassen und sind besser skalierbar, insbesondere in den digitalen Medien. Außerdem scheint sich dieser Minimalismus als eine Art globaler Common Sense in Sachen Ästhetik durchgesetzt zu haben, denn minimalistisches Design steht in der Regel für Klarheit, Modernität usw., Werte, die viele Unternehmen zu besetzen und auf diese Weise auszudrücken versuchen. Die Kehrseite: Ein Logo hat oft eine Geschichte, eine Herkunft, es gibt manchmal gute Gründe, warum es eine gewisse gestalterische Komplexität hat, die ihm in der Summe auch Charakter verleiht. Es besteht die Gefahr, dass es diesen Charakter verliert und in der Masse der generischen Logos untergeht, wenn man diesem Trend folgt. Hier müssen Designer:innen sehr sensibel sein, wenn es um die Anpassung bestehender Logos geht. Einfachheit ist keinesfalls der einzige Weg zum Erfolg, und vor allem ist es nicht immer der richtige Weg.

Sally Anderson: Diese Entwicklung ist vor allem Technologie-bedingt. Im Digitalen ist das Flat Design ein grundlegendes Designprinzip. Dabei gibt es ganz unterschiedliche Gründe, die zu einer solchen Umsetzung führen können, verbunden mit ganz unterschiedlichen Zielsetzungen. Mit dem Logo-Update, das wir zum Beispiel für Taobao entworfen haben, wollten wir die Marke explizit jünger und attraktiver für die junge Generation werden lassen. Bei Volkwagen wiederum lag der Grund für eine flaches Design u.a. darin, dem Produktdesign zu entsprechen, dass weder konzeptionell noch formal Raum für ein dreidimensionales Logo bietet.

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Modern Advertising: Wie transformiert man eine Marke angesichts der digitalen Disruption?Wie beginnt man mit der Transformation von Marken?

Daniel Leyser: Über diese Frage könnte man sicherlich ein Buch schreiben. Ich werde versuchen, eine möglichst kurze Antwort zu geben: Beginnen Sie damit, die Art und das Ausmaß der digitalen Disruption in Ihrer Branche zu ermitteln. Analysieren Sie die Veränderungen im Verbraucherverhalten, die neuen Technologietrends und wie die Wettbewerber:innen darauf reagieren. Auf dieser Grundlage können Sie herausfinden, was sich an Ihrer Marke ändern muss und wie. Legen Sie Ihre digitale Strategie fest. Dazu gehört, welche Technologien Ihre Geschäftsziele am besten unterstützen, wie sie in Ihre Abläufe integriert werden können und wie sie die Interaktion mit Ihren Kund:innen verbessern. Überlegen Sie, was Ihre Marke einzigartig und wertvoll für Ihre Kund:innen macht. Angesichts der digitalen Disruption muss sich dies möglicherweise ändern. Um das Beste aus den digitalen Möglichkeiten zu machen, sollten Sie in die notwendige Technologie und Kompetenz investieren. Dies kann den Kauf neuer Software, die Einstellung neuer Teammitglieder:innen oder die Schulung bestehender Mitarbeiter:innen bedeuten, denn eine Marke ist nicht nur eine Frage der Außenwahrnehmung, sondern auch der vorhandenen Fähigkeiten. Dann: Ständiges Tracking und Anpassung: Digitale Trends ändern sich schnell, daher ist es wichtig, Ihre Branche, Ihre Konkurrent:innen und das Kundenverhalten intensiv zu beobachten. So kann es gelingen, der Zeit immer einen kleinen Schritt voraus zu sein und sicherzustellen, dass Ihre Marke in einer sich schnell verändernden digitalen Landschaft relevant bleibt. Seien Sie bereit, Ihre Strategien bei Bedarf anzupassen. Nutzen Sie einen der Vorteile der digitalen Kanäle und integrieren Sie Echtzeit-Feedback in Ihre Prozesse. Alles in allem ist die digitale Transformation ein iterativer Prozess, der nie endet, denn die Digitalisierung schreitet unaufhaltsam voran. Schon vor Jahren hat man in Bezug auf den Zustand von Marken von "always beta" gesprochen. Das ist immer noch eine treffende Beschreibung.

Modern Advertising: Wie reagiert MetaDesign auf die Herausforderungen der KI-Technologie-Tools?

Daniel Leyser: Die Künstliche Intelligenz wird die Arbeit von Designer:innen sicherlich grundlegend verändern. Aber auch die aller anderen am Markenentwicklungsprozess beteiligten Berufsgruppen. Meiner Meinung nach gibt es noch keine wirklich erfolgreichen Fälle von KI-gesteuertem Branding. Aber wir experimentieren derzeit intensiv in diesem Bereich. Explorieren, soweit es derzeit möglich ist, Marken vor allem mit Hilfe von KI-Tools zu entwickeln. Ich kann hier nicht ins Detail gehen, aber unsere ersten Erkenntnisse sind: KI kann die Qualität von Markenentwicklungsprozessen erhöhen, aber nur unter kompetenter Kuratierung von Markenexpert:innen. Unsere Arbeit wird nicht weniger, aber anders werden. In der jetzigen frühen Phase des Einsatzes dieser Tools wird es darum gehen, Daten so aufzubereiten, dass die KI damit arbeiten kann, die gewonnenen Ergebnisse immer wieder zu analysieren, zu interpretieren, um darauf aufbauend die Datenverarbeitung zu optimieren und wiederum bessere Ergebnisse zu erzielen. Mensch und Maschine müssen sich zunächst auf eine gemeinsame Sprache einigen, und das ist ein wechselseitiger Lernprozess. Wichtig wird sein, dass die Automatisierung vieler Prozesse nicht zum Selbstzweck wird, sondern dazu beiträgt, dass die Faktoren, die Menschen auch langfristig in Prozesse einbringen können, nämlich Kreativität, Empathie, Mut, dass für diese Faktoren mehr Freiraum geschaffen wird.

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